Hate Speech als Gegenstand des Strafrechts
Seminar im SS 2023
Der Gegenstand des Seminars ist amerikanisch, und das hat einen inhaltlichen Sinn. Hate Speech ist als „excitable speech“ (1997) von Judith Butler mit antijuridischem Impuls formuliert worden. Butler hielt eine Normativierung des Phänomens (in Straftatbeständen) weder für möglich noch für wünschenswert. In den vergangenen 25 Jahren hat es gleichwohl insbesondere in Europa und Deutschland vielfältige Versuche der Entscheidung über Hate Speech nach vorhandenen Gesetzen wie auch Bemühungen um die Schaffung neuer Tatbestände gegeben (§§ 130 Abs. 3-5, 126 a StGB). Die eingedeutschte „Hassrede“ ist dabei ein nicht immer unzweifelhafter Topos geworden. Zum Ablauf: Es sollen erörtert literarisch fundierte Themen, Gesetzgebungsvorhaben und Fallentscheidungen vorgestellt und diskutiert werden. Eine Leistung im Schwerpunktbereich oder im Nebenfach wird mit einem mündlichen Beitrag (10-15minütiger Impuls) und schriftlicher Ausarbeitung (15-20 S. mit Literaturverarbeitung, vorzulegen bis zum 30.9.2023) erworben. |
Vorbesprechung: 29.3.2023
Beginn: Mi 26.04.2023, 16 – 18 h, Teilnehmerbeiträge ab 3.5.
Es werden nicht alle im Folgenden erwähnten Themenvorschläge realisiert werden können, weil die Zeit dazu nicht reicht. Es sollen jeweils zwei zueinander passende “Impulse” von nicht länger als 15 Minuten Dauer zu einer gemeinsamen (oder nacheinander erfolgenden) Diskussion gegeben werden. Die folgenden Themen haben jeweils eine Fragestellung und sind in der Regel auf eine Literaturstelle oder Entscheidung bezogen. Der daraus entstehende Titel für eine schriftliche Arbeit kann oder muss im Laufe des Seminars noch konkretisiert werden. Er sollte nicht zu allgemein ausfallen. In diesem Sinne sind mögliche Themen:
Zunächst Grundsatzfragen und Grenzfälle
- No taboos
Unter Bezug auf die Grundsätze des First Amendment ist in den USA eine Praxis entstanden, alle inhaltlichen Aussagen zuzulassen. Auch widerwärtige Äußerungen sind zuzulassen, wie das mit Pathos Timothy Garton Ash fordert und verschiedene amerikanische Autoren mit juristischen Fallvergleichen beschreiben. Ash formuliert die pathetische, tabufeindliche Diskurshaltung unter dem Titel des Wissens und fordert: „We allow no taboos against and seize every chance for the spread of knowledge“, während Lee C. Bollinger näher am Problem, aber immer noch entschieden dafür plädiert, um der zu fördernden diversity willen alle Sprechverbote zu vermeiden. Dazu
a) Lee C. Bollinger, The Tolerant Society (1986), Kap. 1: Enslaved to Freedom? und 168ff (ein amerikanischer rechtstheoretischer Text)
b) Timothy Garton Ash: Why mature democracies should move beyond hate speech laws, in: ders.: Free Speech, Kap. II. 5, dt.: Redefreiheit: Prinzipien für eine vernetzte Welt (2016), ein britischer politisch-historischer Text menschenrechtlicher und menschheitsfreundlicher Art
c) Für Deutschland werden solche Fälle unter dem Gesichtspunkt des Staatsschutzes ganz anders diskutiert. Den deutsch-amerikanische Vergleich mit der Vorlage von
Christian Mensching, Hassrede im Internet. Grundrechtsvergleich und regulatorische Konsequenzen, Berlin 2014. - Freie Rede, amerikanisch
Brandenburg vs. Ohio 1969, 395 U.S. 444
Clarence Brandenburg, ein Ku-Klux-Klan Aktivist, der Reporter zu einem Klan-Treffen einlud, äußerte ihnen gegenüber u. a. Sätze wie: „Personally, I believe the nigger should be returned to Africa, the Jew returned to Israel”. Der Supreme Court billigte den Freispruch unter der Geltung der First Amendment-Formel und entwickelte dabei, was die amerikanischen Verfassungsjuristen den “Brandenburg Test” nennen (dazu: Dale Herbeck, in: Richard A. Parker (Hrg.), Free Speech on Trial. Communication Perspectives on Landmark Supreme Court Decisions, Toscaloosa 2003, 145-160 (150)
Es gibt in dieser Tradition viele weitere Beispiele. Bekannt geworden ist etwa:
Nationalist Socialist Party vs. Village of Skokie (1977). Eine amerikanische Neuauflage der NS-Partei mit deren Symbolen meldet eine Versammlung im Ort Skokie (nahe Chicago) an, die verboten werden sollte. Das Verbot scheitert. (https://globalfreedomofexpression.columbia.edu/cases/national-socialist-party-america-v-village-skokie/), dazu Philippa Strum, When the Nazis Came to Skokie. Freedom for Speech We Hate (1999) - Der Ausgangspunkt für die Rede von der Hassrede bei Judith Butler
In ihrer Programmschrift über „Excitable Speech“ befasst sich Butler ausführlich mit der Mehrheitsmeinung in R.A.V. vs. St. Paul und propagiert zweierlei: Zum einen tritt sie dafür ein, dass Worte nicht nur Taten, sondern auch Waffen seien, zum anderen bekämpft sie die Vorstellung, dass eine Verurteilung wegen deren Gebrauch als Zensur angesehen werden müsse. Sie wird dabei grundsätzlich und bestreitet den Gerichten insgesamt sowohl das Recht als auch die Fähigkeit, über diskriminierende Reden zu entscheiden. Durch staatliche Regulierungen würde der verbotene Sprechakt erst in den Rang eines unaussprechlichen Redens erhoben, und zwar indem das Unaussprechliche ausgesprochen und gebannt werde. Eine Gegenbewegung gelinge aber nur in einem emanzipatorischen Wortgebrauch selbst, nicht durch forensische Veranstaltungen.
Literatur: Butler, Hass spricht. Zur Politik des Performativen (1997), dt. 2006, einmal a) aus der Einleitung (“Wie Sprache verletzen kann”) S. 25-65,
b) zum anderen Kap. I (zu R.A.V. v. t. Pauls 75-86) und IV (Hass spricht, wenn der Staat spricht), 138-148 - Der Skandal, den Judith Butler zum Anlass nahm, von “Excitable Speech” zu reden, die Entscheidung des Supreme Court
R.A.V. vs. St. Paul, 505 U.S. 377 (1991):
Der Beschwerdeführer wurde verurteilt, weil er zusammen mit anderen Jugendlichen in einem Vorgarten gegenüber dem Haus einer afroamerikanischen Familie ein aus Stuhlbeinen gezimmertes Kreuz in Brand gesetzt hatte (https://www.oyez.org/cases/1991/90-7675). Die Rechtsgrundlage für die Gerichtsentscheidung hätte ein kommunales Gesetz sein sollen, das verbot, Symbole zu verwenden, von denen man weiß oder annehmen kann, dass sie „anger, alarm or resentment in others on the basis of race, color, creed, religion or gender“ hervorrufen. Der Tatrichter wie am Ende der Supreme Court lehnten eine Verurteilung ab, der Tatrichter, weil er die Norm als „substantially overbroad and impermissibly content based“ beurteilte. Diese Ansicht teilte zwar zunächst nur eine Minderheit im Supreme Court, es blieb jedoch beim Freispruch aufgrund eines dann von Judith Butler befehdeten Votums des konservativen Richters Scalia, dem sich die Mehrheit anschloss.
Dazu vielfältige Literatur u.a. Kent Greenawalt, Fighting Words. Individuals, Communities, and Liberties of Speech, Princeton 1995, 55-58. - Die Kontroverse zwischen John Rawls und Jeremy Waldron
Rawls lobt eine Entscheidung wie Brandenburg vs. Ohio, die einem Mitglied des Ku-Klux-Klan zugute kam. Er versucht, auch rassistische Beleidigungen unter den von ihm formulierten Gerechtigkeitsprinzipien so zu bestimmen, dass die Grundfreiheiten des Meinens und Äußerns gewährt werden und allen in gleicher Weise zur Verfügung stehen, und er sieht, dass die Gleichheit in den Nutzungsmöglichkeiten nicht mit dem Gebrauch der Grundfreiheiten übereinstimmt. Kent Greenawalt meinte, daraus durchaus einen allgemeinen „liberal“ test ableiten zu können, während Rawls den Gedanken der „well-ordered society“ favorisierte, der vielleicht gerade ein Verbot bzw. eine Bestrafung solcher Äußerungen fordern würde. Das ist der Ansatzpunkt für die Kritik von Jeremy Waldron, der Rawls leicht spöttisch dahin kommentiert, die vorfindliche Gesellschaft sei aber nicht so wohlgeordnet, dass hate speech ohne Verbote einfach ausstürbe; es bedürfe daher juristischer Regulierungen. Dabei sieht Waldron durchaus die sozialen und politischen Grenzen jedweder Verbotsgesetze und empfiehlt „thick skin“.
Das Thema verträgt mehrere Bearbeitungen, die an den unterschiedlichen Ausgangspunkten in der Literatur ansetzen, nämlich:
a) John Rawls, The Basic Liberties and their Priority, dt. in: ders., Die Idee des politischen Liberalismus, Frankfurt a.M. 1992, 159, 254
b) Mel Waldron, The Harm in Hate Speech, Harvard University Press 2012.
c) Kent Greenawalt, Fighting Words. Individuals, Communities, and Liberties of Speech, Princeton 1995, 55-58. - Handelt es sich bei Tatbeständen zur Bestrafung von Hassrede um sog. “Gefühlschutz”-Normen. Strafrechtliche Bedenken gegen bloßen Gefühlsschutz sind entwickelt bei
Tatjana Hörnle, Grob anstößiges Verhalten. Strafrechtlicher Schutz von Moral, Gefühlen und Tabus, § 15 Volksverhetzung (130 StGB). - Wieviel Weltanschauung steckt im Hate Crime?
Gail Mason, Not Our Kind of Hate Crime, Law and Critique 12 (2001), 253-278.
Valerie Jenness, The Hate Crime Canon and beyond: a critical Assessment, Law and Critique 12 (2001), 279-308
Valerie Jenness beginnt ihre Überlegungen zum hate crime canon mit einem Gesetzentwurf im Staate Oregon, der die antikapitalistische Hassrede gegen Reiche zum Inhalt hatte. Dabei gilt Reichenverunglimpfung meist als progressiv. Ihr Titel zu diesem Vorhaben lautet: „Ay carumba. Hate crimes against capitalism“ – na so was, so hat man sich Hasskriminalität nicht vorgestellt. Überhaupt können auch innerhalb des anti-hate crime movement Brüche hervortreten. Manche halten die Bewegung gegen Hassrede für ein Phänomen, das die Sache ethnischer und religiöser Minderheiten vertritt, andere möchten die Sex- und Genderfragen in den Mittelpunkt stellen, sodass es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommt. Ob die jeweilige hate speech den Grad von Verächtlichkeit aufweist, den man ihr generell unterstellt, ist umkämpft mit der Formel „Not Our Kind of Hate Crime“.
Fragen zur Gesetzgebung und Normentwicklung:
- Die Geschichte des § 130 StGB vom Wortlaut im RStGB von 1871 aus (
Der Tatbestand lautete historisch: Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Er warf in der Folgezeit verschiedene strafrechtliche Probleme auf: Es handelt sich um ein sog. “Eignungsdelikt”, es werden sog. Vorfelddelikte bestraft und: Werden mit dem Tatbestand Tatsachen beschrieben, die einem Beweis zugänglich sind? - Weltweite Strafverfolgung in deutschem Interesse?
Besprechung von BGHSt 46, 212 (2000 http://www.servat.unibe.ch/dfr/bs046212.html ), Der Angeklagte ist australischer Staatsbürger. 1996 schloss er sich mit Gleichgesinnten in Australien zum “A. Institute” zusammen, dessen Direktor er ist. Seit 1992 befaßte er sich mit dem Holocaust. Er verfaßte Rundbriefe und Artikel, die er über das Internet zugänglich machte, in denen er “revisionistische” Thesen vertrat. Darin wurde unter dem Vorwand wissenschaftlicher Forschung die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Ermordung der Juden bestritten und als Erfindung “jüdischer Kreise” dargestellt, die damit finanzielle Forderungen durchsetzen und Deutsche politisch diffamieren wollten. - Braucht man einen Tatbestand wie § 126 a StGB?
Der gerade neu geschaffene Tatbestand des § 126 a StGB verbietet die Verbreitung personenbezogener Daten verbietet, wenn damit die Gefahr der Begehung von Straftaten gegen die betroffenen Personen verbunden ist. Das ist datenschutzrechtlich nur insoweit untersagt, als Namen und Ereignisse nicht sowieso bekannt sind (§ 42 BDSG). Der neue Straftatbestand verbietet damit unter Umständen, was datenschutzrechtlich erlaubt ist, aber nach den Umständen wird erst noch gesucht. Sie sollen bei besonderer Gefährlichkeit der Sammlung vorliegen. Die Zusammenstellung bereits öffentlicher Beleidigungen unter Wiederholung des Namens der sowieso bekannten Äußernden kann nach § 126 a StGB eine Straftat darstellen, aber die Frage lautet: wovon hängt das ab, welche Umstände machen eine Bekanntmachung von Bekanntem gefährlich? - Wird das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität seinen Zweck erreichen?
dazu
– Antrag der Grünen “Hass und Hetze wirksam bekämpfen, Betroffene stärken und Bürgerrechte schützen” ( Drucksache 19/17750 v. 10.3.2020),
– Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD v. 10.2020 und
– die Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses v. 17.6.2020 - Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und seine paraforensische Praxis
Im Netzwerkdurchsetzungsgesetz sind privaten Unternehmen strafrechtliche Prüfungspflichten übertragen worden, die sie eigenständig, zunächst ohne Kontrolle und oft ohne nachvollziehbare Begründung gebrauchen. Es bedurfte höchstrichterlicher Entscheidungen, um klarzustellen, dass Nutzungsbedingungen eines Plattform-Anbieters bei Sanktionen die Möglichkeit der Stellungnahme vorsehen müssen und eine eventuelle Neubescheidung inhaltlicher Art notwendig ist. Stattdessen räumen sich die Anbieter einen oft von jeglicher inhaltlichen Anhörung freien Beurteilungsspielraum ein und behalten sich vor, die Nutzer über die Entfernung von Inhalten zu informieren oder nicht.
Dazu BGH Urteil vom 29.07.2021 – III ZR 179/20 zu Facebook-Löschungen und Sperrungen.
Schließlich weitere Urteile zum Thema
- Kollektivbeleidigungen, amerikanisch:
Beauharnais vs. Illinois, 343 U.S. 250 (1952) mit Kritik bei Christian Mensching, Hassrede im Internet. Grundrechtsvergleich und regulatorische Konsequenzen, Berlin 2014, 146f.
Eine Entscheidung des Supreme Court aus 1952, wonach Beleidigungen (Acts of criminal libel), die sich auf besondere Gruppen beziehen und offen verbreitet werden, keinen verfassungsrechtlichen Schutz genießen, insbesondere nicht den durch das First Amendment. Beauharnais verteilte Flugblätter mit einem Inhalt, den man heute ohne Weiteres als Hassrede bezeichnen würde, wenn die Stadtverwaltung von Chicago aufgefordert wird, „to halt the further encroachment, harassment and invasion of white people, their property, neighborhoods and persons, by the Negro …“. Der Aufruf sollte darüber hinaus auch an die „One million self-respecting white people in Chicago“ gerichtet sein. Die von Richter Felix Frankfurter verfasste Mehrheitsmeinung beruhte im Wesentlichen auf der Erwägung, dass Gewalt zwischen Rassen und Aufrufe dazu zu unterblieben hätten, und es heißt dazu: “Many states have similar laws that combat racial violence, and Illinois is a state that has suffered from this trend in the past. The petition consisted of extreme racial and religious propaganda that was distributed to the public and was intended to have a strong emotional effect, so it properly fell within the ambit of the law”. Beauharnais ist als Präzedenz in der Supreme Court-Rechtsprechung abgelöst worden. - Kollektivbeleidigungen, deutsch:
BVerfGE 93, 266 (1995) “Soldaten sind Mörder”: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv093266.html, Höchstrichterliche und höchst umstrittene Entscheidung zum Tucholsky-Spruch anhand mehrerer aktueller Strafrechtsfälle, vielfältige Literatur, auch Friedrich Kübler: Medien, Menschenrechte und Demokratie. Das Recht der Massenkommunikation (2008), § 29. - Tendenzrechtsprechung?
Cohen vs. California 403 U.S. 15 (1971)
Ein junger Mann erscheint bei einer Vorladung als Zeuge vor Gericht mit einer Jacke, auf der zu lesen war „Stop the War“ und „Fuck the Draft“. Man befand sich im Jahre 1968 in Zeiten des Vietnamkriegs, draußen vor dem Gericht propagierte die amerikanische Friedensbewegung Aktionen, die den amerikanischen Rückzug aus Vietnam bezweckten, man kleidete sich bunt und bedeckte seine Kleidung mit allerlei neuen und alten Sprüchen. Obwohl nun der Zeuge Cohen seine Jacke bei Eintritt in den Gerichtssaal zusammengefaltet über dem Arm trug und obwohl der amtierende Richter sich nach Hinweis der Saalpolizei weigerte, Ordnungsmaßnahmen gegen den Zeugen zu ergreifen, veranlasste die Polizei ein Strafverfahren, in dem Cohen zu 30 Tagen Haft verurteilt wurde wegen „maliciously and willfully disturb[ing] the peace or quiet of any neighborhood or person […] by […] offensive conduct. […] - Der Vorwurf der Volksverhetzung anlässlich der Corona-Lage
einerseits AG Pirna
https://openjur.de/u/2452699.html
andererseits Urteil des BayObLG, 25.06.2020 – 205 StRR 240/20 – einsehbar unter: Bayern.Recht.
Zu entscheiden war über Posts des Judensterns, versehen mit dem Inhalt „Ungeimpft und vogelfrei“ ebenso wie über Bilder vom Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz mit einer Zeichnung „Impfen macht frei“ neben einer Reihe schwarz Uniformierter mit Spritzen in der Hand. Wenn man auf die freisprechende Entscheidung des AG Pirna zum Judenstern abstellt, dann hat der Angeklagte das den Juden unter der NS-Herrschaft zugefügte Unrecht nicht bagatellisieren, sondern darauf aufmerksam machen wollen, dass er sich als „Ungeimpfter“ genauso ausgegrenzt von der Gesellschaft fühle wie im Dritten Reich die jüdische Bevölkerung. Ohne nähere Detaillierung kommt das BayObLG im Falle eines Judensterns mit den Jahreszahlen „1933–1945“, der zusammen mit dem AfD-Logo und dem Zusatz „2013–?“ gezeigt worden ist, zum entgegengesetzten Ergebnis, wonach es sich nämlich um ein „auf Breitenwirkung angelegtes Verharmlosen von nach § 130 Abs. 3 StGB näher bezeichneten Völkermordhandlungen“ handele, das „zur Vergiftung des politischen Klimas geeignet“ sei, weil Würde und Ansehen der Überlebenden sowie insbesondere der Ermordeten und ihrer Angehörigen in einem für das ganze Gemeinwesen unerträglichen Maße tangiert seien. - Die Codierung von Inhalten mit einer Fremdsprache und Ziffernübersetzung (18)
BGH 54, 61 – 3 StR 228/09 – Urteil vom 13. August 2009 (LG Gera):
Die rechtsextremistische Vereinigung “Blood & Honour Division Deutschland” ist aufgrund der Verfügung des Bundesministers des Innern vom 12. September 2000 seit dem 13. Juni 2001 bestandskräftig verboten, da sich die Aktivitäten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten. Der Angeklagte, dem dieses Verbot bekannt war, transportierte am 16. September 2005 in seinem Fahrzeug 100 schwarze T-Shirts in unterschiedlichen Größen, die zum Verbreiten bestimmt waren. Die T-Shirts waren wie folgt bedruckt: Die Vorderseite wies den roten Schriftzug “Blood & Honour/C18” auf, ferner in weißer Farbe eine Hand mit Revolver und darunter wieder in roter Schrift “support your local section”. Auf der Rückseite waren die Schriftzüge “Blood & Honour is our voice Combat 18 is our choice” aufgedruckt. Dass es sich bei den Worten “Blood & Honour” um die englische Übersetzung der Parole “Blut und Ehre” der Hitlerjugend handelte, war dem Angeklagten bekannt. Die T-Shirts wurden anlässlich einer Polizeikontrolle sichergestelt. (https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/09/3-228-09.pdf)