Pragmatik

Die Pragmatik erfasst Austauschbeziehungen zwischen Sendern und Empfängern von Zeichen. Sie muss deshalb immer als eine Relation zwischen Person und Zeichen aufgefasst werden, in vollständiger Weise als eine solche zwischen mindestens zwei Personen und der zwischen ihnen kommunizierten Bedeutung, was zu einem Transportmodell der Bedeutung führt. Der Sender heißt dann so, weil er eine Zeichenfolge sendet, die der Empfänger in der Weise, in der sie codiert worden ist, wieder decodiert. Die juristische Rhetorik kann man als eine kanonisierte Pragmatik verstehen, die Informationen, ihre Mitteilung und deren Verständnis auf unterschiedliche Instanzen des Zeichenprozesses verteilt.

Mit dem rhetorischen Modell hat sich die Vorstellung verbreitet, dass Zeichen gesendet und als Botschaft empfangen (und verstanden) werden, wenn sie auf einem schon zuvor eingeführten Code beruhen. Der Inhalt des Codes verschwindet erst einmal hinter der Bedeutung, wenn man auf Wirkungen achtet, und die Wirkung von Botschaften zu bestimmen, macht die Hauptaufgabe jeder Pragmatik aus. Aus pragmatischer Sicht ergibt sich die Bedeutung eines Zeichens aber aus seiner Verwendung in der Situation ebenso wie aus Absichten der Zeichenverwender und Dispositionen der Rezipienten. Nichts davon ist codiert. Auch der Code als Rechtstext (Code Napoléon) tut nur so, als gebe es einen Code, den er nur spiegelt. Aus dem Code entsteht „situatives“ Recht, das anders als „vorgeschriebenes“ (also syntaktisch-semantisch schon niedergelegtes) Recht ausfallen kann. Die hier relevanten Beziehungen werden schnell unübersichtlich, so dass Beobachter dazu tendieren, entweder nur die Wirkung von Botschaften (Zeichenkomplexen) auf ihre Empfänger oder auch nur die Absichten der Sender zu thematisieren, die Eingang in die übermittelte Botschaft gefunden haben. Im Umfeld des Justizdispositivs (dazu gesonderter Eintrag) handelt es sich um Beziehungen im Verfahren. Der Gerichtssaal ist ein hervorgehobenes Feld juristischer Pragmatik, aber auch alle schriftlich übermittelten Textformen in Akten, durch Urkunden, aufgrund von Urteilen und damit der gesamte juristische Diskurs gehören zur juristischen Pragmatik.

Pragmatische Untersuchungen juristischen Handelns erfassen immer nur Momente, wirken entweder geistreich und feuilletonistisch oder sinnlos formalisiert (weil der Handlungssinn beim nächsten Mal ein anderer ist). Pragmatisch werden Entscheidungen oder Handlungen nacherzählt, nachträglich in Strukturpläne oder Alternativenschemata überführt, wobei man sich fragen kann und muss, ob die Strukturen, Alternativen und Planmäßigkeiten auch in der Zukunft eintreffen würden. Wäre die Pragmatik wissenschaftlich, müsste das so sein, und wäre das so, dann würde eine konsequent pragmatische Auffassung des Rechts das Verständnis der Rechtsdisziplin insgesamt verändern. Denn wenn Bedeutungen aus dem Spiel der Positionsdifferenzen immer wieder neu entstehen, vermindert sich die zeitunabhängige Bedeutung der Bedeutung vor allem im Gesetzbuch, und stattdessen treten persönliche und situative Differenzen hervor. Die Bindung an feststehende Gesetze verwandelt sich in situative Einbindung. Der Spruch dazu, den viele als Karikatur empfinden, lautet: Vor Gericht und auf hoher See sind wir alle in Gottes Hand!