Symbol

Was „symbolisch“ heißen soll oder als „Symbol“ gilt, kann kaum einheitlich gesagt werden. Mit Peirce muss man davon ausgehen, dass sprachliches Handeln notwendig in vollem Umfang symbolisch ist und man insofern nicht von einem mehr oder weniger symbolischen Zeichengebrauch sprechen kann, sondern sich fragen müsste, was in anderen Fällen an die Stelle des Symbolischen tritt. Die Peircesche Zeichenkonzeption ist einzigartig insofern, als sie überhaupt Zeichen nicht einfach generell mit Symbolen gleichsetzt, nur weil sie auf etwas anderes verweisen. Peirce unterscheidet programmatisch zwischen ikonischem, indexikalischem und symbolischem Zeichengebrauch und weist die Symbolik der sprachvermittelten Verständigung zu. Etwas auf etwas anderes zu beziehen gelinge nur über ein interpretierendes Drittes (den Interpretanten), und im Symbol wird ein Objekt nur dadurch dargestellt, „dass es dieses Objekt durch den Interpretanten darstellt, den es bestimmt“ (Peirce 1902: 430). Denn in Ikon und Index ist das Objekt jeweils Teil des Zeichens.
Mit dieser formalen Bestimmung wird die gesamte sprachliche Verständigung notwendig symbolisch. So sieht es Peirce auch, und er setzt sich damit von früheren Versuchen ab, den Symbolgebrauch gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch hervorzuheben und damit nicht identisch werden zu lassen. Es ist also notwendig, sich mit der Qualität des Interpretanten zu beschäftigen, der eine strafrechtlich-symbolische Normkonkretisierung bestimmt. Das Symbol erweist sich dann als ein sprachliches Verweisungs- und Verdichtungssystem, dass so wirkt, als repräsentiere es eine Bedeutung im Zeichen selbst. Hegel setzt in seiner Ästhetik (2. Teil, 1. Abschn.) das Symbol vom allgemeinen Zeichenbegriff ab, weil die Beziehung zwischen Ausdruck und Inhalt oder Bezeichnendem und Bezeichnetem symbolisch nicht beliebig sei. Im Symbol sei vielmehr der Inhalt der Vorstellung selbst präsent. Zum Symbol des Symbols werden auf diese Weise die Pyramiden. Die Pyramide bezeichne ein Grabmal und berge einen Toten, repräsentiere aber aufgrund ihrer Anlage

„eine äußere Umgebung, in der ein Inneres verborgen ruht“ (Ästhetik 2. Teil I C 1). Das Symbol unterhält zu seinem Inhalt – könnte man allgemein sagen – eine nicht beliebige Beziehung, es erschöpft sich nicht in den jeweils gerade gewählten Zeichen und lässt sich durch sie auch nicht vollständig erklären. Man muss dazu den weiteren Kontext heranziehen.

Umgekehrt haben die Signifikanten des Symbols auch eine vom Bezeichneten unabhängige Existenz. Es gibt sie wirklich, wie eben die Pyramiden zeigen. Zum kriminalistischen Vorzugssymbol ist beispielsweise die polizeiliche Kriminalstatistik geworden. Sie existiert wirklich, wird mit einigem Aufwand hergestellt und repräsentiert gleichzeitig die wirkliche Welt. Durch die Statistik hindurch kann man sehen, was geschieht, ob etwa die Deliktshäufigkeit steigt oder die Sanktionswahrscheinlichkeit sinkt. Mit der kriminalistischen Kategorie der „Dunkelziffer“ hat man symbolisch herausgerechnet, was sich – entgegen dem wünschenswerten und regelmäßigen Sanktionsverlauf – an Fällen der Reaktion und Sanktion entzieht. Die Dunkelziffer erhellt die Norm. Ist sie niedrig, war die Ermittlungsarbeit erfolgreich oder die Normtreue hoch. Jedenfalls ist alles in Ordnung. Wenn es nicht in Ordnung ist und die Dunkelziffer steigt, kann das vieles bedeuten. Meist ertönt der Ruf nach mehr Polizei, schnelleren Verfahren und höheren Strafen. Aktuelle Strafrechtspolitik orientiert sich an solchen Verweisungssymbolen der Normbefolgung. Andererseits kann die Rate der Nichtbefolgung von einer gewissen Größe an Realisten zu Zweifeln an der Legitimität der Norm insgesamt veranlassen. Wenn regelmäßig und in großem Umfang tatsächlich abgetrieben wird, obwohl Abtreibung strafgesetzlich als Verbrechen eingestuft wird, sind Zweifel an der Normgeltung erlaubt. Sie haben im konkreten Fall der Abtreibung 1974 dazu geführt, dass diese in der damaligen Bundesrepublik Deutschland unter den Kautelen einer „Fristenlösung“ jedenfalls weitgehend straflos gestellt worden ist.

Zitierte Literatur: Hegel, G.W.F.: Vorlesungen über Ästhetik I, Werke Bd. 13, Frankfurt a.M. 1986; Peirce, Charles S. (1902): Regeln des richtigen Räsonnierens, in: ders., Semiotische Schriften Bd. 1, hrg. v. Chr. W. Kloesel u. H. Pape, Frankfurt a.M. 2000, 409 ff.