Die Semiotik im Recht ist Signifikantenpraxis. Rechtszeichen sind miteinander charakteristisch verknüpft und bilden aus, was Müller/Christensen/Sokolowski (1998: 32) „Zeichenketten“ nennen und zunächst einmal nur besagt, dass Zeichenmittel, die man im Einzelnen nicht verstehen muss, zusammenhängen. Es ist noch zu entdecken, worin die rechtliche Bedeutung dieser Zeichenketten eigentlich steckt, ob es nun die ausgefeilte inhaltliche Begründung oder die Inszenierung durch ein Tribunal ist, die Zeichen setzt. Verlangt ist deshalb ein analytischer Zugriff, der über die Umgangssprache hinausgeht. Man kann Rechtsinhalte untersuchen, ohne auf die Bedeutung der Rechtssprache einzugehen. Das leisten logisch-syntaktische Analysen.
Die juristische Syntaktik isoliert die Beziehungen zwischen Rechtszeichen. Sie ist Rechtslogik, soweit es gelingt, Signifikanten von der bezeichneten Bedeutung ganz zu trennen. Dann lässt sich formulieren:„if p then q (p q), the symbol p stands for a proposition stipulating a set of operative facts, q for the legal consequence which is to follow“ (Mac Cormick 1978: 45). Syntaktik verlangt in der Rechtsforschung Formalisierung im logischen Kalkül. Die semiotische Grundlage dafür hat Charles W. Morris 1938 mit einem knappen Text zu den „Grundlagen der Zeichentheorie“ (Foundations of the Theory of Signs) gelegt. Morris handelt in selbständigen Kapiteln Syntaktik, Semantik und Pragmatik als Teildisziplinen der Semiotik ab. Bei Peirce waren die Teildisziplinen noch am alten Modell des Triviums orientiert als Grammatik, Logik und Rhetorik. Morris geht anders vor. Für ihn ist Syntaktik nicht die Logik im Sinne folgerichtiger Ableitung in der Umgangssprache, sondern eine Disziplin, die Beziehungen der Zeichen unter Absehung von Objekten und Interpretanten untersucht (Morris 1972: 32). Für das Recht heißt das:
Die moderne formale Logik übersetzt nicht mehr sprachliche Beziehungen in eine besondere Ausdrucksweise, sondern ersetzt Sprache durch etwas anderes, den Kalkül, der in seinen Elementen wie in den Beziehungen, die sie eingehen können, vorab vollständig definiert sein muss (Neumann 2011: 306). Mit den juristischen Logikern kann man dann überlegen, ob der Aussagen- oder der Prädikatenkalkül besser geeignet sind, um Normen und ihre Anwendung wiederzugeben, man kann auch erwägen, die monotone, nämlich durch die definitorischen Festlegungen schon bestimmte Folgerungsweise durch neu zuzulassende Prämissen zu erweitern, man bleibt aber bei alledem in Denkweisen und Entscheidungen, die auch vor der Formalisierung vorhanden waren. Ulfrid Neumann (2011: 311) empfiehlt die logisch-syntaktische Betrachtung, um Widersprüche aufzudecken und Mehrdeutigkeiten zu beseitigen. Eine anwendungsbezogene Disziplin wie die Rechtsinformatik beschränkt sich für die juristischen Informationssysteme (zum Beispiel „Juris“) darauf, dass Wortzeichen aus der Sprachoberfläche (als Suchworte) miteinander verknüpft werden und man sich die Logik der Verknüpfung selbst suchen muss (oder darf). Was inhaltlich interessant werden könnte, wird durch diese Art der Syntaktisierung nicht erfasst, und man mag das als Vorteil für eine inhaltlich unabhängige Arbeit empfinden.
Zitierte Literatur:
Neil Mac Cormick, Legal Reasoning, Oxford.
Morris, Charles William (1972): Grundlagen der Zeichentheorie, (Orig. 1938), dt.: München.
Müller, Friedrich/Christensen, Ralph/ Sokolowski, Michael (1997): Rechtstext und Rechtsarbeit. Berlin.
Neumann, Ulfrid (2011): Juristische Logik, in: Arthur Kaufmann/Winfried Hassemer/Ulfrid Neumann (Hg.) Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 8. Aufl. Heidelberg, 298-319